Wettbewerb Basel Nauentor – 1. Preis

Auf Basis des gleisüberspannenden Postreitergebäudes vor dem Bahnhof Basel SBB planen Post Immobilien und SBB Immobilien mit dem «Nauentor» gemeinsam ein neues städtebauliches Ensemble. Zusammen mit der raumhaltigen Grundkonstruktion entstehen ein Sockelbau und drei Hochhäuser. Neu durchquert eine öffentliche Magistrale die gesamte Überbauung und vernetzt den umgebenden Stadtkörper über die Gleise hinweg. Geplant sind flexibel nutzbare Dienstleistungs- und Büroflächen, Gastronomie und quartierdienliche Nutzungen. In den Hochhäusern ist primär Wohnen in unterschiedlichen Preissegmenten vorgesehen.

Wir waren als Fachplanerin für den Bereich Mobilität und Verkehrsplanung Teil des siegreichen Teams rund um BRUTHER, Paris & Zürich, Jan Kinsbergen, Zürich und TRUWANT + RODET +, Basel.

Das Beurteilungsgremium stellte folgende mobilitätsrelevanten Punkte des Siegerentwurfs heraus (Download):

„Das städtebauliche Gesamtkonzept besteht aus drei Hauptteilen: dem Festlandteil an der Nauenstrasse mit den beiden Türmen, dem Reiterbau über dem Gleisfeld und dem SBB-Turm auf der Gudeldingerseite. Die Stärke des Konzeptes liegt im Umgang mit dem öffentlichen Raum. Zwei Massnahmen wurden speziell für den Fuss- und Veloverkehr getroffen, die prägend sind: die Galerie im Festlandteil und die Quartierverbindung für Fussgänger:innen und Velofahrer:innen. Das Areal kann etappenweise überbaut werden, jedoch muss die Abgrenzung zwischen dem Hochhaus C und dem Reiterbau präzisiert werden.

Die «Galerie Nauentor» ist ein überdachter Strassenraum auf Gebäudehöhe, der als Verlängerung der heute als Sackgasse wirkenden Centralbahn-Strasse konzipiert ist. Die Verlängerung bis zur Peter-Merian-Strasse wird als wesentliche Verbesserung des heutigen Stadtraums betrachtet. Die Galerie ist als hybride Form zwischen einer hochfrequentierten und multimodalen Passage sowie einem repräsentativen Ort für Bevölkerung, Kultur und Gewerbe konzipiert, jedoch nicht als Shoppingmall. Die Überdachung des öffentlichen Raums wurde kontrovers diskutiert. Nachteile, vor allem bezüglich der sozialen Sicherheit, wurden womöglich kritischer gesehen als von der Autor:innenschaft. Unbestritten ist jedoch ihre Funktion als Adressbildung und Haupterschliessung des Festlandteils und Reiterbaus.

Die geforderte Quartierverbindung für den Fuss- und Veloverkehr wird äusserst klug und pragmatisch, dabei nutzerfreundlich und räumlich attraktiv umgesetzt. Durch ihre Lage in statt auf der Tragtischebene müssen weniger Höhenmeter überwunden werden. Die Rampenbauwerke werden folglich kürzer, die Einbindung in den nachbarlichen Kontext einfacher und die Benutzerfreundlichkeit steigt. Die Quartierverbindung wird damit zum attraktiven Shortcut für Fussgänger:innen mit attraktivem Blick über das Gleisfeld und für Velofahrer:innen, welche die geforderten und ausbaubaren Abstellplätze unmittelbar angrenzend vorfinden. Es wird bewusst auf substanzielle Retail- oder Gastronutzungen entlang dieses Shortcuts verzichtet, da die zu erwartenden Frequenzen für einen rentablen Ganztagesbetrieb zu gering sind. Beurteilungsgremium und Quartiervertreter:innen loben diese einfache und pragmatische Lösung, einschließlich der beidseitig gut auffindbaren und in den Kontext eingebundenen Velorampen.

Im Festalandteil St. Alban können auf Personenfrequenzen angewiesenen Retailflächen gut auf Strassenniveau (Nauenstrasse und Galerie) angesiedelt werden. Auf dem Reitergebäude dagegen sollen hauptsächlich Gewerbeund Büroflächen entstehen, welche weniger auf Kundenfrequenzen angewiesen sind und dennoch von einer klaren Adressbildung profieren können. Diese Forderung wird primär von der Galerie als Erschliessungsraum erfüllt. Ob Fahrtreppen als Ergänzung zu den Aufzügen sinnvoll sind, wurde in der Jury nicht abschliessend diskutiert. Dass eine attraktive Verbindung zum öffentlichen Dachgarten hinauf notwendig ist, blieb dabei unbestritten, Alternativen sind jedoch denkbar.

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Die Fuss- und Veloverkehrsverbindung, inklusive der Verortung der Veloabstellplätze, und ihrer Anbindung an die Quartiersebenen mittels Treppen und Rampen ist sehr überzeugend gelöst.

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Das vorgeschlagene kreative Erschliessungskonzept mit einem hohem Anteil an gemeinsamen Nutzflächen ist interessant und zukunftsgerichtet.

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Die Anlieferung für den Teilbereich SBB ist noch ungenügend gelöst. Durch die grosszügige und sehr überzeugende Erschliessungsgeste, Anbindung an den Postreiter zwecks Quartierverbindung, verliert das Gebäude im Sockelbereich an Geschossfläche, diese gilt es im nächsten Schritt zu präzisieren.

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Verkehrlich präsentiert der Projektvorschlag ein ausgereiftes und stimmiges Erschliessungskonzept mit deutlichen Verbesserungen gegenüber dem Status Quo. Die primärenAchsen für Fussgänger:innen und Velofahrerinnen sind getrennt und es kann eine höchstmögliche Konfliktfreiheit erreicht werden. Die Fusswegverbindung zwischen Centralbahnplatz und Peter-Merian-Brücke erfolgt ebenerdig, die Verbindung zwischen Gellert und Gundeli erfolgt auf Niveau 5 mit diversen Zugängen über Treppen und Rampen bzw. Lifte. Für den Veloverkehr werden attraktive Verbindungen sowohl in Nord-Süd- wie auch in Ost-West-Richtung angeboten. Die neue, attraktive Veloverbindung zwischen Gellert und Gundeli erfolgt im Westen des Postreitergebäudes mit Anschlüssen an die Meret-Oppenheim-Strasse bzw. Gartenstrasse. Der motorisierte Individualverkehr gelangt aus der Gartenstrasse über eine Spindelrampe in die Untergeschosse 1 bis 3, auf denen die vorgesehenen Parkplätze angesiedelt sind. Die Rampe ist v.a. im Hinblick auf die kombinierte Nutzung für Personenwagen und Lieferverkehr nochmals zu überprüfen und an die Vorgaben anzupassen. Die Anlieferung erfolgt für die Nutzungen im Festlandteil aus dem 1. Untergeschoss, für Nutzungen im Postreiter aus dem 2. Untergeschoss. Hier besteht noch Optimierungspotential, damit die Anlieferung für den Postreiter auch bei Wegfall des bestehenden Logistiktunnels ausreichend sichergestellt wäre.

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Der Entwurf überzeugt sowohl in der der Ausformulierung und Setzung der Volumen als auch in der Vernetzung mit dem nachbarlichen Kontext. Die Galerie – Herzstück mit starker Adressbildung – und der Dachgarten bilden attraktive öffentliche Orte mit hohem Mehrwert und grossem Entwicklungspotential. Der pragmatische Ansatz zur geforderten gleisquerenden Velo- und Fussgängerverbindung ist attraktiv und verspricht eine hohe Akzeptanz in der Quartierbevölkerung. Der Umgang mit Bestand und die zukunftsorientierten Ansätze zur Nutzung zeugen von einer Ernsthaftigkeit im Umgang mit nachhaltigen Themen.

Projekt

Wettbewerb zur Neukonzeptionierung des heutigen Postreitergebäudes am Bahnhof Basel SBB

Ort

Basel (CH)

Größe

2,2 ha

Bearbeitungszeit

2022-2023

Auftraggeberin

PostFinance AG und SBB AG

Kooperation

Bruther Paris / Zürich, Jan Kinsbergen, Zürich und Truwant + Rodet +, Basel mit Schnetzer Puskas Ingenieure, Antón Landschaft, Zeugin-Gölker Immobilienstrategien, Amstein-Walther

© Visualisierung

«view from Gundeli» ethandeclerk

Category

Wettbewerbe

Tags

Öffentlicher Raum